Schiess, Patricia (2020): Liechtenstein und die UNO-Frauenrechtskonvention CEDAW. In: Swiss Review of International and European Law, 2/2020, S. 171-204.

Erscheinungsjahr:
2020

Abstract
Dieser Beitrag stellt dar, wie Liechtenstein das UNO-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) implementiert hat. Die CEDAW gehört zu denjenigen internationalen Abkommen, die vor dem StGH gleich wie die in der Verfassung gewährleisteten Rechte angerufen werden dürfen. Bis jetzt hatte der StGH allerdings noch nie Gelegenheit, sich mit der CEDAW auseinander zu setzen.

Aufgerufen zur Umsetzung der CEDAW ist zuallererst der Gesetzgeber. Das Berichterstattungsverfahren, an dem die Zivilgesellschaft teilnehmen kann, und die Rechtsprechung des UNO-Ausschusses helfen ihm, Diskriminierungen zu erkennen und die nötigen Massnahmen zu ergreifen, damit Frauen und Mädchen in gleicher Art und Weise am politischem, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen wie die männliche Bevölkerung und dabei ihre spezifischen Interessen einbringen können.

Patricia Schiess erörtert die von der CEDAW angewendeten Konzepte der Gleichheit sowie die vom UNO-Ausschuss verabschiedeten General Recommendations und seine Rechtsprechung. Danach stellt sie die unmittelbare Anwendbarkeit der CEDAW in Liechtenstein dar. Sie setzt sich dabei insbesondere mit dem Verhältnis der CEDAW zur Verfassung und dem auf strikte Gleichbehandlung der Geschlechter ausgerichteten EWR-Recht auseinander. Dogmatisch stellt es eine Herausforderung dar, dass die geltende liechtensteinische Verfassung eine Ungleichbehandlung nur zulässt, wenn sie mit dem biologischen Unterschied der Geschlechter begründet werden kann, während die CEDAW von einem asymmetrischen Konzept ausgeht, das ausschliesslich Frauen schützt.

Schlagwörter: CEDAW, Diskriminierung, Gleichstellung von Frau und Mann, materielles Gleichheitsverständnis, UNO-Übereinkommen, Völkerrecht

In the Liechtenstein public, the Convention on the Elimination of All Forms of Discrimination against Women (CEDAW) is omnipresent. Women's organisations, the Association for Human Rights in Liechtenstein and some members of the parliament remind repeatedly of the Recommendations of the Commitee on the Elimination of Discrimination against Women. Therefore, this contribution presents the implementation of the CEDAW and the accompanied Optional Protocol to the Convention in Liechtenstein. The CEDAW - together with other international human Rights conventions (in particular the European Convention on Human Rights (ECHR), the International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR) and the UN Convention on the Rights of Children (CRC)) - is one of those international agreements which can be relied upon before Liechtenstein's constitutional court the same way as with regards to the rights guaranteed by the constitution. From a dogmatic point of view, it poses a challenge that Art 31(2) of Liechtenstein's constitution allows an unequal treatment of women and men only insofar as the reason lies in the biological difference of men and women whereas the CEDAW contains an asymmetric concept that protects exclusively women.

Keywords: CEDAW, discrimination, gender equality, substantive understanding of equality, UN conventions, international law

Swiss Review of International and European Law, 2/2020