Märk-Rohrer, Linda (2017): Mythos Chancengleichheit. Frauen und Gleichberechtigung in Liechtenstein. Bendern (Arbeitspapiere Liechtenstein-Institut, 59).

Abstract

Immer mehr Frauen in Liechtenstein sind heute berufstätig und immer besser ausgebildet. Gleichzeitig sind die Frauenanteile im Landtag seit 2013 rückläufig. Der ausgebliebenen, aber eigentlich erwarteten Anpassung der neuen Gegebenheiten an die politische Partizipation der Frauen kann nur auf den Grund gegangen werden, indem die Phänomene Chancengleichheit und Gleichberechtigung auf gesamtgesellschaftlicher und nicht nur auf politischer Ebene untersucht werden. Eine nähere Betrachtung der Frauenerwerbstätigkeit zeigt auch für Liechtenstein Traditionalisierungseffekte im Erwerbsverlauf, geschlechtsspezifische Berufswahlen ebenso wie eine allgemeine Zweiteilung der Gesellschaft in männliche (bezahlte) und weibliche (unbezahlte) Bereiche. Mit dieser Zuschreibung verbunden sind auch eine Ungleichbewertung beider Bereiche und weitere qualitative Unterschiede, welche Männer (die weniger unbezahlte Arbeit verrichten) bevorteilen und Frauen (die den grossen Teil dieser Arbeit erledigen) benachteiligen. Da die zunehmende Erwerbstätigkeit der Frauen keine Zunahme unbezahlter Arbeit durch die Männer zur Folge hatte, verstärken sich die Ungleichheiten nun vielmehr auch zwischen den Frauen. In der „neuen Dienstbotengesellschaft“ können es sich einige Frauen „leisten“, erwerbstätig zu sein indem sie unbezahlte Arbeit externalisieren. Andere müssen schlecht bezahlte Arbeit und gleichzeitig auch noch unbezahlte Arbeit unter einen Hut bringen.
 

Schlagwörter: Liechtenstein, Chancengleichheit, Unbezahlte Arbeit, Frauenanteil, Gleichberechtigung, Rollenbilder, Frauenerwerbstätigkeit

Today, more and more women in Liechtenstein are in employment and are increasingly well-educated. At the same time, the proportion of women in the national parliament has been declining since 2013. The reasons for the missing, though actually expected, effect of the new circumstances on the political participation of women can only be determined by examining equal opportunities and equal rights at the level of society as a whole, rather than merely at the political level. A closer examination of female employment in Liechtenstein reveals effects of traditionalization in employment history, gender-specific occupational choice, as well as an overall division of society into male (paid work) and female (unpaid work) sectors. Also associated with this division is an unequal valuation of the two sectors and further qualitative differences, which advantage men (who perform less unpaid work) and disadvantage women (who carry out the predominant share of unpaid work). As the increasing level of female employment did not result in an increase in the male share of unpaid work, an increase in inequality is now occurring actually between women. In the so-called “new society of servants”, some women can “afford” to be employed by externalizing unpaid work. Others have to juggle with a combination of low-paid work and unpaid work.


Keywords: Liechtenstein, equal opportunities, unpaid work, proportion of women, equal rights, gender roles, female employment