Liechtenstein-Institut ist Kooperationspartner des neuen EWR-Rechtszentrums CENTENOL an der Universität Bergen
Unmittelbarer Anlassfall war der sogenannte «NAV-Fall». Die norwegische Wohlfahrtsagentur (NAV) legte jahrelang geltendes Recht falsch aus. In Dutzenden Fällen wurden Bürger wegen Betrugs verurteilt, weil sie Sozialhilfeleistungen im EWR-Ausland bezogen hatten. Dies war zwar nach der Auslegung des einschlägigen norwegischem Rechts durch die NAV verboten, hätte aber nach EWR-Recht nicht verboten werden dürfen. Dutzende von Personen wurden wegen Betrugs verurteilt, und der Justiz fiel nichts auf. Vor drei Jahren wurde der Skandal dann publik und die Politik sah sich in Erklärungsnot.
Gerade dieser Fall zeigt, dass bei den Rechtsanwendern in Verwaltung, Politik und Justiz das nötige Bewusstsein hinsichtlich der im EWR geltenden Regeln fehlt. Offenbar ist es deshalb notwendig, EU- und EWR-Recht verstärkt zu vermitteln. Der norwegische Forschungsrat stellt dafür über einen Zeitraum von vier Jahren vom 1. Juni 2023 bis zum 31. Mai 2028 Mittel in Höhe von 21 Millionen NOK zur Verfügung.
Die Ausschreibung, die sich speziell an die juristische Forschung richtet, hat die Universität Bergen zusammen mit ihren Projektpartnern, darunter das Liechtenstein-Institut, für sich entscheiden können.
Das neue EU/EWR-Zentrum (Centre on the Europeanization of Norwegian Law - CENTENOL) wird von Professor Christian Franklin geleitet. Das Zentrum soll das derzeitige Wissen über das EU- und EWR-Recht durch Forschung, Lehre, Verbreitung und Netzwerkaktivitäten erweitern und vertiefen. Seitens des Liechtensteins sind Dr. Christian Frommelt und Dr. Georges Baur an diesem Projekt beteiligt.
Ziel ist es, dass norwegische Rechtsanwälte und Angestellte des öffentlichen Sektors besser in der Lage sein werden, die Konsequenzen des EU- und EWR-Rechts für das norwegische Recht und öffentliche Verfahren zu verstehen. Schwerpunkt der Untersuchungen der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Zentrums werden die Auswirkungen des Europarechts auf das Sozialversicherungs-, Einwanderungs- und Arbeitsrecht sein. Dazu soll die Forschung, die sich auf die Europäisierung des norwegischen Rechts bezieht, intensiviert; eine Open-Access-Wissensdatenbank erstellt und die Ausbildung im EU- und EWR-Recht gemeinsam mit den Partnern gestärkt werden. Dabei wird von diesen auch die Wirkungsweise des Europarechts in ihren jeweiligen Ländern zu vermitteln sein. Die verschiedenen Arten des Umgangs mit dem Einfluss europäischen Rechts sollen verglichen werden.
Die Schaffung des neuen EU/EWR-Zentrum ist für den gesamten EWR von Bedeutung. Als Kooperationspartner kann das Liechtenstein-Institut einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung des akademischen Forschung zum EWR leisten und dabei die Perspektive Liechtensteins einbringen.