Euroskeptizismus in Liechtenstein

04.11.2020 - Neue Publikation
Euroskeptizimus hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einem weit verbreiteten Phänomen in Europa entwickelt. In vielen Ländern erfreuen sich euroskeptische Parteien grosser Beliebtheit und gewinnen damit einen wachsenden Einfluss auf die Dynamik des Europäischen Integrationsprozesses. Intensität und Ursachen des Euroskeptizimus unterscheiden sich jedoch zwischen den einzelnen Staaten Europas. In einem kürzlich erschienenen Sammelband werden deshalb in kurzen Länderberichten Perspektiven aus 40 verschiedenen europäischen Staaten präsentiert, wobei der Fokus auf euroskeptischen Parteien als sogenannte gatekeeper zwischen politischen Institutionen und der Öffentlichkeit liegt. Unter dem Titel «Euroscepticism Yes and No!» verfasste Christian Frommelt den Länderbericht zu Liechtenstein.

Der Titel des Beitrags zeigt bereits die Ambivalenz auf, mit welcher eine Untersuchung zum Thema Euroskeptizismus in Liechtenstein konfrontiert ist. In Liechtenstein gibt es eigentlich keine euroskeptischen Parteien. Gleichzeitig können alle Parteien als euroskeptische Parteien bezeichnet werden. So hat in Liechtenstein bisher keine Partei offen einen EU-Beitritt Liechtensteins gefordert. Gemessen an einer EU-Mitgliedschaft müssen also alle Parteien in Liechtenstein als euroskeptisch bezeichnet werden. Umgekehrt stehen aktuell aber auch alle Parteien hinter der Europapolitik der liechtensteinischen Regierung. Insbesondere fordert keine Partei einen Austritt aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Aufgrund dieser fehlenden Opposition gegen die nationale Europapolitik sowie generell der geringen Politisierung der Europäischen Integration in Liechtenstein hat deshalb auch die Aussage, dass es in Liechtenstein keine euroskeptischen Parteien gibt, einen wahren Gehalt.

Bei Letzterem handelt es sich aber um eine Momentaufnahme, die sich jederzeit ändern könnte. So lassen sich auch in Liechtenstein verschiedene Anzeichen für eine verstärkte Politisierung der EWR-Mitgliedschaft feststellen. In diesem Zusammenhang ist die Gründung der Partei Demokraten pro Liechtenstein (DpL) zu nennen, welche sich wiederholt kritisch gegenüber dem EWR geäussert hat und mit einer verstärkten Anbindung an die Schweizer Europapolitik liebäugelt(e). Inwieweit dies tatsächlich ein Thema ist, werden die Landtagswahlen im Februar 2021 zeigen.

Zum Abschluss nennt der Beitrag drei Empfehlungen, um Euroskeptizimus in Liechtenstein entgegenzuwirken. Erstens sollen sich die politischen Parteien nicht vor einer Debatte über die Vor- und Nachteile des EWR fürchten. Viele Errungenschaften des EWR wie z. B. der diskriminierungsfreie Zugang zum EU-Binnenmarkt mit 450 Millionen Konsument*innen gelten heute als selbstverständlich, sind aber weiterhin von zentraler Bedeutung für die liechtensteinische Wirtschaft. Zweitens bringt es nichts, eine EU- und eine EWR-Mitgliedschaft gegeneinander auszuspielen. Die EWR-Mitgliedschaft mag für Liechtenstein derzeit die ideale Lösung sein. Der EWR funktioniert aber nur, solange auch die EU funktioniert, weshalb eine gut funktionierende EU ein Kerninteresse Liechtensteins bleiben muss. Drittens sollten sich die Liechtensteiner*innen stets ihrer Abhängigkeit von der internationalen Politik bewusst sein. Themen wie Sicherheit, Handel und Klimawandel, die auch in der liechtensteinischen Politik eine wichtige Rolle spielen, können nur in internationalen Foren angegangen werden, wobei Liechtenstein als Kleinststaat meist stark vom Einsatz der grossen Staaten profitiert.