Einstellung zur EWR-Mitgliedschaft Liechtensteins

07.04.2020 - Neue Publikation
Vor 25 Jahren trat Liechtenstein dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) bei. Aus Anlass dieses Jubiläums führte das Liechtenstein-Institut im Auftrag der Regierung eine Umfrage zur Einstellung der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner zum EWR und zur Europäischen Integration im Allgemeinen durch.

EWR-Abkommen als Basis für Liechtensteins Beziehungen zur EU
Das Verhältnis zur Europäischen Union (EU) wird in vielen Staaten Europas stark politisiert. Liechtenstein ist nicht Mitglied der EU, über das EWR-Abkommen aber eng mit dieser verflochten. Das EWR-Abkommen verbindet die drei EWR/EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen mit den aktuell 27 EU-Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Wirtschaftsraum. Für Liechtenstein trat das EWR-Abkommen am 1. Mai 1995 in Kraft, nachdem sich die liechtensteinischen Stimmberechtigten in zwei Volksabstimmungen mit jeweils knapp 56 Prozent der Stimmen für einen EWR-Beitritt ausgesprochen hatten.

Den beiden Abstimmungen über die EWR-Mitgliedschaft in Liechtenstein war jeweils eine heftige innenpolitische Debatte vorausgegangen. Umso mehr überraschte es, dass in einer im Jahr 2015 erstmalig durchgeführten Umfrage zur Einstellung der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner zum EWR eine grosse Mehrheit die EWR-Mitgliedschaft als Erfolgsmodell betrachtete und der EWR allgemein ein positives Bild bei der Bevölkerung hervorrief.

Grosser Rückhalt für den EWR
Dieser hohe Rückhalt für die EWR-Mitgliedschaft und die positive Wahrnehmung des EWR wurden durch eine im Februar 2020 vom Liechtenstein-Institut durchgeführte repräsentative Befragung bestätigt. So ruft der EWR bei 76 Prozent der befragten Personen ein positives Bild hervor. Demgegenüber haben lediglich 5 Prozent der liechtensteinischen Bevölkerung ein negatives Bild des EWR. Auch wird das EWR-Abkommen von 84 Prozent der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner als gutes Abkommen für Liechtenstein bewertet und lediglich von 4 Prozent als schlechtes Abkommen.

Die Umfrage zeigt auch, dass das EWR-Abkommen nicht nur als ein reines Wirtschaftsabkommen wahrgenommen wird, sondern mit dem EWR auch positive innerstaatliche und aussenpolitische Effekte assoziiert werden. Ferner werden auch Errungenschaften wie die Teilnahme am EU-Bildungsprogramm Erasmus+ von einer grossen Mehrheit der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner als wichtig erachtet.

Wunsch nach Kontinuität
Für die Zukunft wünschen sich die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner vor allem Kontinuität in der Europapolitik. So halten 70 Prozent der befragten Personen den EWR in den nächsten Jahren für die beste Option für Liechtenstein. Der Wunsch nach Kontinuität in der Europapolitik zeigt sich auch darin, dass eine grosse Mehrheit der liechtensteinischen Bevölkerung stabile Beziehungen Liechtensteins zur Europäischen Union (EU) als wichtig erachtet. Eine EU-Mitgliedschaft selbst stösst aber nur auf wenig Unterstützung. Vielmehr wünscht sich die Mehrheit im Fall einer Auflösung des EWR ein mit dem EWR inhaltlich gleichwertiges Abkommen mit der EU.

Unterschiedliche Wahrnehmung von EU und EWR
Während der EWR in der liechtensteinischen Bevölkerung eine ähnlich hohe Unterstützung geniesst wie vor fünf Jahren, hat sich das Bild der EU der Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner in diesem Zeitraum verschlechtert. Nichtsdestotrotz ruft die EU weiterhin bei mehr Personen in Liechtenstein ein positives Bild hervor als ein negatives. Auch überwiegen bei der Betrachtung der Europäischen Integration bei den Liechtensteinerinnen und Liechtensteinern positive Assoziationen wie Friede, Freiheit und kulturelle Vielfalt. Als negative Assoziationen werden erhöhte Bürokratie, mangelnde Grenzkontrollen und Kriminalität genannt. Insgesamt kann aber dennoch auf eine stark gegensätzliche Wahrnehmung des EWR und der EU durch die liechtensteinische Bevölkerung geschlossen werden. Besonders ausgeprägt ist die unterschiedliche Wahrnehmung mit Blick auf den Finanztransfer an andere europäische Staaten sowie die Volksrechte in Liechtenstein. Während diese Themen im Zusammenhang mit der EWR-Mitgliedschaft kaum kritisiert werden, bestehen im Falle einer EU-Mitgliedschaft grosse Vorbehalte.

Geringes Wissen über EWR
Angesichts der hohen Schnittmengen von EU und EWR lässt sich die unterschiedliche Wahrnehmung der beiden Integrationsmodelle faktisch nicht gänzlich erklären. In diesem Zusammenhang zeigte die Umfrage auch, dass die Liechtensteinerinnen und Liechtensteiner der Mitgliedschaft Liechtensteins im EWR zwar sehr positiv gegenüberstehen, jedoch nur knapp 30 Prozent der befragten Personen der Meinung sind, dass sie über gute Kenntnisse des EWR-Abkommens verfügen. Im Unterschied dazu geben 43 Prozent der befragten Personen an, dass ihre Kenntnisse des EWR weder gut noch schlecht seien, während 22 Prozent ihre Kenntnisse als schlecht einstufen. Dies verdeutlicht, dass trotz grundsätzlich hoher Zustimmung für den EWR eine aktive Auseinandersetzung mit dem EWR weiterhin von Bedeutung ist.

 

EWR als Erfolgsmodell für Liechtenstein. Medienmitteilung der Regierung, 7. April 2020