«Eines Tages sind wir Schweizer»
Der Referent ging zunächst im Allgemeinen auf die Frage ein, wie sich Begriffe wie «Nationalismus», «Nation» und «nationale Identität» auf einen Kleinstaat wie Liechtenstein beziehen lassen. Fragen rund um nationale Identitäten spielten in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg in vielen Regionen Europas eine wichtige Rolle, da in dieser Zeit vielerorts alte Identitätskonflikte aufbrachen und kulturelle Zugehörigkeiten neu verhandelt werden mussten.
Im Vortrag wurden zunächst Beispiele für gesellschaftliche und politische Kontroversen angeführt, die rund um das Jahr 1920 in Leserbriefen und redaktionellen Beiträgen in den Liechtensteiner Landeszeitungen ausgetragen wurden. In diesen spielten die historischen Verbundenheit mit dem Osten oder Westen, die stärkere regionale Ausrichtung des Unterlands auf Vorarlberg, aber auch Ängste vor einer «Verschweizerung» oder «Verösterreicherung» eine Rolle.
In einem zweiten Teil wurde ausgeführt, welche historischen Geschichtsnarrative von Befürwortern einer starken Umorientierung zur Schweiz – besonders aus den Reihen der christlich-sozialen Volkspartei – bedient wurden. Diese waren, wie sich herausstellte, von ausgeprägten pro-schweizerischen und anti-österreichischen Komponenten geprägt.
In einem dritten Teil wurde schliesslich gezeigt, wie sich die Lehrinhalte in den liechtensteinischen Schulen zwischen den 1910er- und 1930er-Jahren veränderten. Sowohl in den Schul-Landkarten als auch in den Inhalten des Geographieunterrichts in den Lesebüchern liess sich eine zunehmende kulturelle Ausrichtung auf die Schweiz beobachten. Eine radikale Umkehr durch staatliche Massnahmen liess sich hier aber nicht feststellen, da ältere Lehrinhalte durchaus nachwirkten. Insgesamt zeigte sich, dass der Zollvertrag von 1923 nicht nur politisch und wirtschaftlich, sondern auch mental und kulturell prägend auf das Land Liechtenstein wirkte.