Liechtensteinischer Historikerinnen- und Historikertag zum Thema «Biographieforschung», 21.10.2022

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Am 21. Oktober 2022 fand im Gemeindesaal Gamprin der erste Liechtensteinische Historikerinnen- und Historikertag statt. Die Veranstaltung hatte das Ziel, Historikerinnen und Historiker, die in und/oder über Liechtenstein arbeiten, miteinander in einen fachlichen Austausch zu bringen. Die thematische Klammer dazu bildete die Biographieforschung. Den rund 50 Teilnehmerinnen und Teilnehmern wurden in fünf Sektionen zehn Referate präsentiert, die das Thema unter theoretischen, methodischen und empirischen Perspektiven beleuchteten.
 

Stephan Scheuzger eröffnete die Konferenz – die an drei in den 1990er-Jahren vom Historischen Lexikon organisierte «Liechtensteinische Historische Tagungen» anknüpfte – im Namen des Liechtenstein-Instituts mit einführenden Überlegungen. In seiner Keynote stellte Volker Depkat von der Universität Regensburg aktuelle Themen, Ansätze und Probleme der Biographieforschung vor und gab der Tagung damit einen theoretischen Rahmen. Im ersten Panel zeigte Susanne Keller-Giger anhand ihres kürzlich erschienenen Buches über den sudetendeutschen Politiker Carl Kostka die praktischen Grenzen biographischer Geschichtsschreibung auf, während Peter Kamber die Besonderheiten der historischen Biographie als Genre zwischen Literatur, Psychologie, Soziologie, Kulturgeschichte und Philosophie erhellte. Die Befragung von Zeitzeugen und die Methode der Oral History in ihrer Bedeutung für die zeitgeschichtliche Forschung waren Gegenstand des zweiten Panels, betrachtet von Peter Geiger anhand seiner Erfahrungen im Rahmen seiner Untersuchung zur NS-Zeit in Liechtenstein und von Loretta Seglias am Beispiel ihrer Arbeit zur Psychiatriegeschichte in Graubünden.


Nach der Mittagspause stellten in einem dritten Panel Natalie Lorenz und Rupert Tiefenthaler die im Liechtensteinischen Landesarchiv vorhandenen Dokumente als Quellen biographischer Arbeit vor, während Claudia Heeb-Fleck und Julia Frick einen Einblick in das im Aufbau befindliche Frauenarchiv als Beispiel einer akteurszentrierten Quellensammlung zur Geschichte der Frauenbewegung gaben. Zwei Referate setzten sich im vierten Panel mit gruppenbiographischen Ansätzen auseinander: Fabian Frommelt wertete seine prosopographische Datensammlung zum Vaduz-Schellenberger Verwaltungspersonal zur Zeit der kaiserlichen Administration (1684–1712) mit Blick auf soziale Verflechtungen und kulturelle Praktiken aus, worauf Cornelius Goop gemeinsame biographische und ideologische Aspekte der klerikalen Historiker Liechtensteins im 19. und frühen 20. Jahrhundert beleuchtete. Die beiden abschliessenden Vorträge im fünften Panel waren der Thematik «Biographie und Werk» gewidmet. Emanuel Schädler zeigte anhand mehrerer Verwaltungsrechtswissenschaftler des 19. Jahrhunderts auf, wie deren Lebensweg und insbesondere eine frühe Beschäftigung mit dem Kirchenrecht ihre späteren verwaltungsrechtlichen Hauptwerke beeinflussten. Rupert Quaderer schliesslich stellte den Nachlass von Willhelm Beck (1885–1936) vor, der derzeit von ihm aufgearbeitet wird, und illustrierte, welche Einblicke Briefe und weitere Dokumente in Becks staatspolitisches Wirken und in sein privates Leben geben.


Neben der Präsentation und Diskussion von Forschungsarbeiten und -erfahrungen bot der Anlass vielfältige Gelegenheiten zum ungezwungenen Austausch unter den Anwesenden. Der Historikerinnen- und Historikertag stiess bei den Referentinnen und Referenten wie auch bei den weiteren Teilnehmenden auf eine sehr positive Resonanz, so dass eine Neuauflage in zwei Jahren ins Auge gefasst wird.


Ein ausführlicher Tagungsbericht von Cornelius Goop ist auf der Online-Plattform H-Soz-Kult veröffentlicht worden:
Liechtensteinischer Historikerinnen- und Historikertag 2022: „Biographieforschung“