Fakten zwischen historischer Forschung und Vergangenheitsaufarbeitung: „commissioned history“​​​​​​​ und Wissensproduktion für die und mit der Öffentlichkeit

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Sind Gesellschaften mit massivem vergangenem Unrecht konfrontiert, beauftragen staatliche, aber auch nicht staatliche Akteure zunehmend ad hoc gebildete Kommissionen – Untersuchungskommissionen, Expertenkommissionen, Wahrheitskommissionen –, aber auch Forschende an Universitäten mit der Untersuchung der historischen Sachverhalte. Die Arbeit im Rahmen dieser «commissioned history» findet in einem grundlegenden Spannungsverhältnis statt. Einerseits produzieren die Kommissionen und die mit entsprechenden Aufarbeitungsprojekten beauftragten Historikerinnen und Historiker Wissen über die Vergangenheit mit einem wissenschaftlichen Objektivitätsanspruch. Die Wissenschaftlichkeit der Erzeugung dieses Wissens ist entscheidend für die intendierte Wirkung in der Öffentlichkeit. Andererseits integrieren die Kommissionen und Projekte in der Regel Betroffene – und damit Teile der Öffentlichkeit – in ihre Arbeit, am häufigsten, indem diese im Rahmen der Untersuchungen Aussagen über das Vergangene machen, Zeugnis ablegen können. Die Erinnerungen an die gemachten Erfahrungen und die mit den Aussagen verknüpften Erwartungen derer, die Zeugnis ablegen, sind nicht ohne weiteres in Übereinstimmung zu bringen mit den epistemologischen Ansprüchen der Kommissionen und Forschenden.
 

Zusammen mit Prof. Annette Weinke von der Universität Jena leitet Stephan Scheuzger das Publikationsvorhaben für ein Zeitschriftenheft zu dem Thema. Analysiert werden an Beispielen verschiedener Typen von «commissioned history», wie Kommissionen und Forschungsprojekte im Rahmen ihres Aufarbeitungsauftrags mit diesem grundlegenden Spannungsverhältnis umgegangen sind. Die Beiträge diskutieren, wie sich die Integration erinnerungsbasierter Erzählungen der vom untersuchten vergangenen Unrecht Betroffenen auf die Tätigkeit dieser Kommissionen und Forschungsprojekte ausgewirkt hat, die auf die Etablierung historischer Fakten ausgerichtet war. Das Heft schliesst Artikel von Historikerinnen und Historikern aus Liechtenstein, Deutschland, der Schweiz, Schweden und Australien ein. Ausgangspunkt des Vorhabens war ein Panel, das Weinke und Scheuzger im August 2022 an der Sechsten Weltkonferenz der International Federation for Public History an der Freien Universität Berlin durchgeführt haben. Zur Diskussion gestellt wird ein grösserer Teil der Beiträge im September 2023 in einer Sektion des 54. Deutschen Historikertages in Leipzig.